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Vom Flüchtling zum Politiker. Oder zur Politikerin. Für viele undenkbar, für Adis Ahmetovic (23) und Maja Lasic (37) heute Realität. Ihre Familien kamen in den 90er-Jahren infolge des Krieges in Bosnien und Herzegowina nach Deutschland.

 

Obwohl man meinen könnte, beide hätten dadurch den gleichen Weg hinter sich, stimmt das nicht ganz. Adis kam 1993 in Hannover zur Welt, wuchs von klein auf in der deutschen Gesellschaft auf, durchlief das deutsche Bildungssystem von der Kita bis zum Bachelor-Abschluss in Politikwissenschaften und Germanistik und arbeitet nun als SPD-Büroleiter des Niedersächsischen Ministerpräsidenten Stephan Weil. Maja hingegen kam mit 14 Jahren nach Bielefeld, musste sich in einer schwierigen Phase, in der die Persönlichkeit fast fertig geformt ist, an ein neues Umfeld gewöhnen, ohne ein Wort Deutsch zu können. Im Gegensatz zu vielen Gleichaltrigen, die den gleichen Weg wie Maja hinter sich hatten, schaffte sie relativ schnell den Sprung in eine reguläre Klasse, absolvierte ihr Abitur, studierte und promovierte im Fachbereich der Biologie, um anschließend in der Pharmaindustrie ihre ersten beruflichen Schritte zu gehen.

Es gibt dennoch viele Parallelen zwischen Adis und Maja. Beide mussten in den Jahren nach der Ankunft ihrer Familien um den Verbleib in Deutschland bangen. Fremd im neuen Land, Kettenduldungen, Abschiebungen großer Teile der Familie. „Meine Eltern kamen als studierte Leute nach Deutschland, mein Vater sogar als Jurist. Er griff hier sofort zur Schaufel und Mama zum Putzlappen, um die Familie ernähren zu können. Eine andere Möglichkeit gab es in den ersten Jahren nicht“, erinnert sich Adis.Die große Mehrheit seiner Familie musste um die Jahrtausendwende Deutschland verlassen, heute leben seine Verwandten in den USA, Australien, Schweden, rund um den Globus. Beide sahen in der Bildung die Chance zum sozialen Aufstieg. Und wollen heute diese Erfahrungen durch ihr politisches Engagement zurückgeben. „Nach den ersten Monaten in meinem Beruf merkte ich recht schnell, dass der Verdienst nicht die einzige Motivation sein kann“, sagt Maja. Sie erfuhr von der Bildungsinitiative namens „Teach First Deutschland“. Die Initiative schickt herausragende Uniabsolventen aller Fachrichtungen für zwei Jahre an Schulen in schwieriger Lage. Dort unterstützen die sogenannten „Fellows“ benachteiligte Schüler dabei, bessere Abschlüsse zu erreichen und nicht aus dem System zu fallen. Es sei eine schwierige Aufgabe gewesen, ihrer Mutter beizubringen, in Zukunft nur ein Drittel des Gehaltes zu verdienen.

Adis führte es schon früh in die Politik. 2011 wurde er als stellvertretender Vorsitzender der Jusos in Hannover (Jugendorganisation der SPD) gewählt, um seit 2013 die Doppelspitze des größten Jusos-Verbandes in Deutschland mit mehr als 1000 Mitgliedern zu bilden. Sein größtes Vorbild ist Gerhard Schröder, der auch auch Hannover stammt. „Nach Schröders Sieg 1998 war eine Aufbruchsstimmung zu spüren“, erinnert sich heute Adis. Besonders die Werte wie Solidarität, Vielfalt und Zusammenhalt seien für ihn die entscheidenden Gründe gewesen, sich in der SPD zu engagieren.

Miesmachern und Spalten die kalte Schulter zeigen

Die aktuelle politische Situation wirkt sich natürlich auch auf die Arbeit von Maja und Adis aus. „Die aktuelle Flüchtlingssituation war der Initialzünder für eine Debatte, die in Deutschland immer wieder kommt – die Frage nach der deutschen Identität,“ stellt Maja fest. Man müsse definieren, für welche Werte wir als Gesellschaft gemeinsam einstehen können, aber auch akzeptieren, dass man gewissen Sachen loslassen muss. „Genau so muss aber auch klar sein, was wir von den Flüchtlingen erwarten und wo die Grenze der Akzeptant liegt, nämlich beim Grundgesetz“.

Adis selbst sei einst als Flüchtling gestartet und hat sich durch Bildung nach oben gekämpft. Dabei betont er, nicht der einzige, sondern einer von vielen Hunderten zu sein. „Wir brauchen diese Menschen aufgrund des demografischen Wandels. Jeder von ihnen hat das Potential, etwas aus sich zu machen,“ sagt Adis. „Wir müssen ihnen nur gleiche Chancen geben und damit den Miesmachern und Spaltern die kalte Schulter zeigen.“

Wo man zuhause ist

Adis und Maja sind der Meinung, die Probleme und Ängste der Flüchtlinge, aber auch der Einheimischer besser verstehen zu können. „Ich musste selbst die Herausforderung meistern, mich als Flüchtling in Deutschland zurecht zu finden. Ich empfinde es als meine Aufgabe, die Leute, die heute Angst vor einer Überfremdung der Gesellschaft haben, daran zu erinnern, dass ich auch mal in der gleichen Situation,“ sagt Maja. „Man darf die aktuelle Situation nicht generalisieren, sondern muss die Sache individuell angehen. Die große Mehrheit der Flüchtlinge wird sich wie ich in die Gesellschaft integrieren und ihren Beitrag leisten,“ unterstreicht Adis.

Beide fühlen sich mit ihrer Herkunft verbunden, sind mehrmals im Jahr in Bosnien und Herzegowina, besuchen ihre Familien und Freunde. Dennoch sind sie sich einig, dass ihr Lebensmittelpunkt und Zuhause Deutschland ist. „Ich habe mich sieben Jahre politisch engagiert, ohne aktives und passives Wahlrecht, weil ich kein deutscher Staatsbürger war,“ sagt Adis. Es sei eine schwere Entscheidung gewesen, sich für einen Pass entscheiden zu müssen. Der Wunsch, Verantwortung übernehmen und selbst gestalten zu können, seien dann die Gründe dafür gewesen, die deutsche Staatsbürgerschaft anzunehmen.

Adis Ahmetovic kandidiert für die SPD Hannover im Stadtbezirk Bothfeld-Vahrenheide am 11. September.

Dr. Maja Lasic ist Kandidatin für den Wahlkreis 7 für die Wahl zum Abgeordnetenhaus von Berlin 2016 am 18. September.

Wir wünschen beiden viel Erfolg und bedanken uns für die offenen Worte.


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