Skip to main content

Das pangea netzwerk äußert sich mit Besorgnis und Entschiedenheit über die jüngsten Enthüllungen rund um das skandalöse Schreiben der Heritage Foundation, eines US-amerikanischen Think Tanks, das im Zusammenhang mit der Südlichen Interkonnektion (Južna interkonekcija, Southern Interconnection) in Bosnien und Herzegowina steht. Dieses Schreiben enthält xenophobische Aussagen und zielt auf die bewusste Polarisierung der ethnischen Gruppen des Landes ab. Es ist Teil einer gut eingespielten Strategie, die gezielt Unwahrheiten verbreitet und antimuslimische Ressentiments schürt.

 

Die Stellungnahme wurde an folgende Personen und Institutionen verschickt:

 

  • Botschafter*innen der Mitgliedsstaaten des Peace Implementation Councils (PIC) – Albania, Austria, Belgium, Bulgaria, Canada, Croatia, Czech Republic, Denmark, Egypt, Serbia, Finland, France, Germany, Greece, Hungary, Ireland, Italy, Japan, Jordan, Luxembourg, Malaysia, Morocco, Netherlands, North Macedonia, Norway, Oman, Pakistan, Poland, Portugal, Romania, Russian Federation, Saudi Arabia, Slovak Republic, Slovenia, Spain, Sweden, Switzerland, Turkey, Ukraine, United Kingdom and United States of America (siehe OHR-Website)
  • Mitglieder des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestages
  • Mitglieder des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union des Deutschen Bundestages
  • Mitglieder der Europa-Ausschüsse der Bundesländer Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen sowie Rheinland-Pfalz
  • Stiftungen, Think-Tanks, NGOs und Vereine im Bereich Europäische Union, EU-Erweiterung, West-Balkan, Außen- und Sicherheitspolitik)

Das Anschreiben an die US-Botschaft in Berlin und S.E. Herr Alan D. Meltzer, Gesandter-Botschaftsrat (Geschäftsträger a.i.) ist hier im Wortlaut oder als PDF nachzulesen.

Instrumentalisierung und Diffamierung im Kontext der Südlichen Interkonnektion – hier als PDF herunterladen

Sehr geehrter Herr Geschäftsträger Alan D. Meltzer,

das pangea netzwerk äußert sich mit Besorgnis und Entschiedenheit über die jüngsten Enthüllungen rund um das skandalöse Schreiben der Heritage Foundation, eines US-amerikanischen Think Tanks, das im Zusammenhang mit der Südlichen Interkonnektion (Južna interkonekcija, Southern Interconnection) in Bosnien und Herzegowina steht. Dieses Schreiben enthält ksenophobische Aussagen und zielt auf die bewusste Polarisierung der ethnischen Gruppen des Landes ab. Es ist Teil einer gut eingespielten Strategie, die gezielt Unwahrheiten verbreitet und antimuslimische Ressentiments schürt.

Im Schreiben wird behauptet, dass die „muslimischen Bosniaken die christliche Bevölkerung in Bosnien und Herzegowina dominieren und ihre Interessen unterdrücken wollen“. Diese Darstellung ist nicht nur falsch, sondern auch gefährlich, da sie die multikulturelle Struktur Bosnien und Herzegowinas destabilisiert. Sie zielt darauf ab, ethnische Spannungen zu schüren und politische Verhandlungen zu erschweren. Solche Rhetorik ist ein Rückfall in ein Narrativ, das bereits während des Krieges in den 1990er Jahren genutzt wurde, um Feindbilder zu schaffen und Konflikte zu eskalieren. Es zeigen sich gefährliche Parallelen zu den Diskursen, Narrativen und Strategien, die in den 1990er Jahren zur Aggression auf die unabhängige Republik Bosnien und Herzegowina in 1992 und zur Eskalation des Bosnienkrieges führten.

Radovan Karadžić, der politische Führer der bosnischen Serben während des Krieges, nutzte ähnliche Narrative und Feindbilder, um die muslimische Bevölkerung Bosnien und Herzegowinas zu delegitimieren, zu dehumanisieren und als Bedrohung darzustellen. Diese Rhetorik führte letztlich zu systematischen Kriegsverbrechen, einschließlich ethnischer Säuberungen, Massakern und dem Völkermord in Srebrenica, dem größten Völkermord nach dem Zweiten Weltkrieg. Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag verurteilte Karadžić 2016 zu lebenslanger Haft für Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und Genozid. Die aktuellen Versuche, ethnische und religiöse Spannungen in Bosnien und Herzegowina wieder zu schüren, sind ein gefährliches Déjà-vu. Sie dürfen weder toleriert noch ignoriert werden.

Die im Schreiben der Heritage Foundation verbreiteten Inhalte setzen auf islamophobe Konstrukte und zielen darauf ab, die muslimische Bevölkerung Bosnien und Herzegowinas als „Fundamentalisten“ oder „Terroristen“ zu stigmatisieren. Die Geschichte hat gezeigt, dass die Stigmatisierung und Entmenschlichung von Bevölkerungsgruppen die Grundlage für Gewalt, Vertreibung und Genozid bildet. Der Völkermord in Srebrenica, bei dem über 8.000 muslimische Männer und Jungen ermordet wurden, ist das tragischste Beispiel dafür, wohin solche Narrative führen können. Die aktuellen Versuche, ähnliche Diskurse zu etablieren, dürfen nicht ignoriert werden, da sie die Gefahr bergen, die Fehler der Vergangenheit zu wiederholen.

Ebenfalls skandalös ist die Aussage, „die Zukunft dieses strategischen Projekts […]“ sei „jedoch durch das jahrzehntelange und gescheiterte Nation-Building-Projekt des State Departments gefährdet, das katholische Kroaten und orthodoxe Serben dazu zwingen wollte, eine erfundene bosnische Identität anzunehmen, die von einer dogmatischen muslimischen Fraktion im Land propagiert wird, die sich als “Bosniaken“ identifizieren“. Diese Aussage bietet eine stark polarisierende und vereinfachende Darstellung der politischen und ethnischen Realität in Bosnien und Herzegowina. Die Formulierung, dass katholische Kroaten und orthodoxe Serben gezwungen werden sollten, eine „erfundenene bosnische Identität“ anzunehmen, ist provokativ und fördert das Narrativ, dass die nationale Zugehörigkeit in Bosnien und Herzegowina zwanghaft und unehrlich ist. Dies unterminiert den Versuch, eine gemeinsame nationale Identität oder ein inklusives Staatsverständnis zu schaffen, das alle ethnischen Gruppen einbezieht. Zudem tragen solche Aussagen zur weiteren Spaltung der Gesellschaft bei, da sie ein “Wir gegen die anderen”-Narrativ fördern und die ohnehin schon komplizierten Beziehungen zwischen den ethnischen Gruppen weiter belasten. Dies erschwert die dringend notwendige Zusammenarbeit, um Bosnien und Herzegowina in Richtung Stabilität und Wohlstand zu führen.

Die Behauptung, dass eine „dogmatische muslimische Fraktion“ die Identität aller Bosniaken propagiert, unterstellt einer ganzen Bevölkerungsgruppe eine einheitliche und radikale Haltung. Dies ignoriert die Vielfalt innerhalb der bosniakischen Gemeinschaft und reduziert die komplexen Identitätsfragen in BiH auf ein einseitiges und vereinfachtes Narrativ.

Bezeichnend sind zudem die beteiligten Personen, die maßgeblich für die Inhalte des Schreibens der Heritage Foundation verantwortlich sind. Die Rolle von Željana Zovko, einer kroatischen Politikerin, seit Oktober 2016 Mitglied des Europäischen Parlaments, sowie die Besuche von Manfred Weber, CSU-Politiker, ebenfalls Mitglied im Europäischen Parlament und zudem Partei- und Fraktionsvorsitzender der EVP, und David McAllister, CDU-Politiker, ebenfalls Mitglied im Europäischen Parlament und zudem Leiter des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten, werfen Fragen auf. Diese christdemokratischen Politiker aus Deutschland verstärken durch ihre Kontakte zu solchen Netzwerken die internationale Dimension dieser destruktiven Politik. Die Verbindungen zwischen der HDZ Kroatien und HDZ BiH und konservativen Think Tanks wie der Heritage Foundation deuten auf eine gezielte internationale Kampagne hin, die darauf abzielt, Bosnien und Herzegowina politisch und wirtschaftlich zu destabilisieren. Solche Strategien untergraben nicht nur die Stabilität Bosnien und Herzegowinas, sondern auch das Vertrauen in europäische und transatlantische Institutionen. Es darf nicht zugelassen werden, dass diese Stimmen und Strategien in neuer Form wieder Gehör finden.

Die südliche Gaspipeline bietet eine strategische Möglichkeit, die Energieversorgung in Bosnien und Herzegowina und der Region zu diversifizieren und zu stabilisieren. Um es mit den Worten der US-Botschaft in Sarajevo deutlich zu machen: „[…] Das neue Gesetz zur Südlichen Interkonnektion (SIC) ist ein Gesetz für die Menschen in BiH. Dieses Projekt wird die regionale Energiesicherheit in Bosnien und Herzegowina sowie auf dem Westbalkan stärken, indem es die völlige Abhängigkeit BiHs von russischem Gas beendet – eine Abhängigkeit, die das Land und seine Bürger politischer und wirtschaftlicher Erpressung aussetzt.
Die SIC wird zudem Zugang zu einer zuverlässigen Energiequelle schaffen, die Arbeitsplätze generiert, Unternehmen beim Wachstum unterstützt und Wohlstand für die gesamte Föderation BiH, insbesondere jedoch für die Gemeinden in Herzegowina, ermöglicht […]“.
Die Behauptung, dass dieses Projekt ausschließlich muslimischen Interessen dient, ist irreführend. BH Gas ist ein Unternehmen, dessen Entscheidungen durch die Regierung der Föderation Bosnien und Herzegowinas beeinflusst werden, in der auch die HDZ vertreten ist. Die Polarisierung des Projekts entlang ethnischer Linien widerspricht seinem eigentlichen Zweck: der Förderung wirtschaftlicher Zusammenarbeit und Sicherheit.

Die bewusste Falschdarstellung, dass „muslimische Fraktionen“ das Projekt kontrollieren, ist ein politisches Werkzeug, das die Kooperationsbereitschaft zwischen den Gemeinschaften untergräbt. Diese Rhetorik dient nicht den Interessen der Region, sondern lediglich denen der politischen Akteure, die von Spaltung und Destabilisierung profitieren. Das Vorgehen der Heritage Foundation in Zusammenarbeit mit der HDZ aus Kroatien und Bosnien und Herzegowina zeigt eine gezielte internationale Kampagne, die die zukünftige US-Administration unter Donald Trump beeinflussen soll.

Die jüngsten Ereignisse verdeutlichen, dass diese Infrastrukturinitiative von destruktiven politischen Akteuren, insbesondere der kroatischen Partei HDZ BiH unter der Leitung von Dragan Čović, blockiert wird – trotz ihres strategischen Wertes für die energetische Unabhängigkeit der Region. Am heutigen Sitzungstag des Repräsentantenhauses des Parlaments der Föderation Bosnien und Herzegowina wurde der Gesetzesvorschlag zur südlichen Gaspipeline mit einer deutlichen Mehrheit in die Tagesordnung aufgenommen. 71 Abgeordnete stimmten „dafür“, nur 14 stimmten „dagegen“. Doch auffällig ist: Die Ablehnung des Gesetzes wurde ausschließlich von den Abgeordneten der HDZ BiH getragen.
Dies ist kein isoliertes Ereignis, sondern zeigt die wiederholte Blockadehaltung der HDZ BiH, die offensichtlich darauf abzielt, die strategischen Interessen Bosnien und Herzegowinas zu untergraben. Selbst andere kroatisch geprägte Parteien haben das Gesetz unterstützt und sich von dieser destruktiven Politik distanziert.
Die heutige Abstimmung unterstreicht die Verantwortungslosigkeit von Dragan Čović und seiner Partei. US-Beamte, darunter Botschafter Michael Murphy und Alexander Kasanof, haben deutlich gemacht, dass die südliche Gaspipeline (Južna interkonekcija, Southern Interconnection) ein entscheidender Schritt in Richtung energetischer Unabhängigkeit Bosnien und Herzegowinas ist und dringend verabschiedet werden muss.

Die internationale Gemeinschaft, insbesondere die Vereinigten Staaten und die Europäische Union, muss erkennen, dass die Destabilisierung Bosnien und Herzegowinas durch ethnische Polarisierung nicht nur die Region, sondern auch die transatlantische Zusammenarbeit gefährdet. Der Missbrauch legitimer Projekte wie der südlichen Gaspipeline für politische und ethnische Interessen muss entschieden zurückgewiesen werden. Die südliche Gaspipeline darf nicht zu einem Spielball von Interessen werden, die ethnische Spaltung vertiefen und die Stabilität der Region gefährden. Die internationale Gemeinschaft ist aufgefordert, entschlossen gegen diese destruktiven Strategien vorzugehen und ihre Verantwortung für den Erhalt des Friedens und der Stabilität in der Region wahrzunehmen.

Das pangea netzwerk fordert alle Beteiligten auf, ihre Verantwortung wahrzunehmen und für Frieden, Stabilität und Zusammenarbeit einzutreten. Die Lehren aus den Verbrechen der 1990er Jahre – insbesondere aus dem Völkermord von Srebrenica – müssen uns stets daran erinnern, dass Spaltung und Hass niemals toleriert werden dürfen. Nur durch Dialog, Respekt und Zusammenarbeit kann eine nachhaltige und friedliche Zukunft für Bosnien und Herzegowina sichergestellt werden. Das pangea netzwerk fordert die internationale Gemeinschaft, insbesondere die Europäische Union und die Vereinigten Staaten, auf, sich klar gegen solche spalterischen und gefährlichen Strategien zu positionieren. Die Förderung von Dialog und Zusammenarbeit, nicht von Polarisierung, ist der einzige Weg, um Frieden und Stabilität in Bosnien und Herzegowina zu gewährleisten.

Wir dürfen niemals zulassen, dass die Stimmen und Strategien, die zu den Verbrechen von Srebrenica führten, wieder Gehör finden. Frieden und Stabilität können nur durch Respekt, Inklusion und die konsequente Ablehnung von Hass und Spaltung erreicht werden.

Viele Grüße,

Ahmed Spahic

Vorstandsvorsitzender des pangea netzwerks