Zur aktuellen Lage in Bosnien und Herzegowina und der Verantwortung zur Wahrung der staatlichen Ordnung.
Öffentliche Stellungnahme – Der Staat beginnt in Sarajevo – nicht in Brüssel
Die jüngsten Entwicklungen um Milorad Dodik, Präsident der bosnisch-herzegowinischen Entität Republika Srpska, markieren einen gefährlichen Tiefpunkt im fortschreitenden Angriff auf die Verfassungsordnung Bosnien und Herzegowinas. Seine Auslandsreisen – trotz eines bestehenden Haftbefehls durch das Staatsgericht BiH (Sud BiH) und die Staatsanwaltschaft BiH (Tužilaštvo BiH) – sind keine Privatangelegenheit. Sie sind gezielte Provokationen und offene Missachtung des bosnischen Rechtssystems.
Zwar wurde Dodik jüngst auf Grundlage von Artikel 203a des Strafgesetzbuchs wegen Nichtbeachtung von Entscheidungen des Hohen Repräsentanten verurteilt (Fokus.ba, 2024) – ein symbolischer Schritt. Doch diese Verurteilung kommt viel zu spät. Dodik untergräbt seit über 15 Jahren die staatliche Ordnung, u. a. durch die jährliche Feier des vom Verfassungsgericht verbotenen „9. Januar“, durch das verfassungswidrige Referendum 2016 (BR, 2016) und durch gezielte Blockaden staatlicher Reformprozesse unter Miroslav Lajčák und Catherine Ashton.
Diese Entwicklungen sind kein Zufall, sondern das Resultat jahrelanger Nachgiebigkeit internationaler Akteure. Der ehemalige OHR-Rechtsberater Eric J. Gordy brachte es 2021 auf den Punkt:
„Die EU ließ Dodik immer wieder gewähren, ignorierte systematische Verstöße gegen das Friedensabkommen von Dayton und signalisierte mit jedem weiteren Rückzug politische Schwäche.“ (Klix.ba, 2021)
Bereits 2011 zeigte sich die Dynamik: Nach einem Treffen mit EU-Außenbeauftragter Catherine Ashton zog Dodik ein Referendum über die Justiz zurück – nicht, weil er überzeugt wurde, sondern weil ihm signalisiert wurde, dass kein Widerstand folgen würde, solange er nicht offen eskaliere (Der Standard, 2011).
Dieses systematische Wegsehen hat ihn und andere Akteure ermutigt, immer radikalere Positionen zu vertreten – zuletzt mit aktiver Unterstützung aus Moskau und im Schulterschluss mit autoritären Netzwerken in Europa. Dodiks Reise nach Israel und anschließend nach Russland ist nicht nur ein politisches Signal – es ist ein gezielter Affront gegen jede Vorstellung internationaler Ordnung und Rechtsstaatlichkeit.
Die Verantwortung liegt im Inneren des Staates
Der Staat Bosnien und Herzegowina ist kein hilfloses Gebilde. Seine Institutionen – Sud BiH, Tužilaštvo BiH und die Staatliche Ermittlungs- und Schutzagentur SIPA – verfügen über klare rechtliche Mittel. Doch diese Mittel verlieren ihre Wirkung, wenn ihr Einsatz durch politisches Kalkül oder ausbleibende politische Rückendeckung unterlaufen wird.
Die Verteidigung der bosnischen Staatlichkeit beginnt nicht in Brüssel, Washington oder Berlin – sie beginnt in Sarajevo, mit dem Mut der Institutionen, ihre Rolle konsequent auszufüllen. Sie beginnt im Gerichtssaal, wo Gesetze nicht verhandelbar sind – auch nicht für Präsidenten einzelner Entitäten. Sie beginnt in der Staatsanwaltschaft, wo Verfassungsbrüche nicht relativiert, sondern verfolgt werden.
Sie beginnt im Einsatz der SIPA, deren Handeln sich allein am Gesetz orientieren muss. Sie beginnt mit jedem Schritt, der zeigt: Das Gesetz gilt. Für alle. Immer.
Souveränität braucht Selbstverantwortung
Dreißig Jahre nach Dayton darf sich Bosnien und Herzegowina nicht länger ausschließlich auf äußere Schutzmächte verlassen.
Ein Staat, der seine eigene Verfassungsordnung nicht durchsetzt, verliert Schritt für Schritt seine Autorität – nach innen wie nach außen.
Die ständige Berufung auf Brüssel, Washington oder den OHR ersetzt keine eigenständige Rechtsdurchsetzung. Sie festigt das Bild eines Staates, der seine Probleme nicht selbst lösen kann oder will.
Das schwächt die Institutionen. Das entmutigt die Bürger*innen. Das ermutigt diejenigen, die den Staat zersetzen wollen.
Daher fordern wir:
- Konsequente Durchsetzung des Strafrechts durch bosnisch-herzegowinische Institutionen – insbesondere bei Angriffen auf die Verfassungsordnung.
- Uneingeschränkte politische Rückendeckung für Sud BiH, Tužilaštvo BiH und SIPA in der Ausübung ihres gesetzlichen Auftrags.
- Ein Ende der internationalen Doppelstandards – europäische Appeasement-Politik muss als das benannt werden, was sie ist: gefährlich und destabilisierend.
- Ein klares Bekenntnis aller gewählten Vertreter*innen zur unteilbaren Souveränität Bosnien und Herzegowinas.
- Eine langfristige Stärkung der institutionellen Unabhängigkeit, auch durch gezielte Investitionen in Justiz, Strafverfolgung und demokratische Bildung.
- Keine Immunität mehr für politische Mandatsträger, die gezielt gegen das Verfassungsgefüge agieren – unabhängig von ihrer Funktion oder Herkunft.
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