Skip to main content

Als deutsch-bosnisches Netzwerk, das die Interessen der bosnisch-herzegowinischen Diaspora in Deutschland vertritt, möchten wir Bezug nehmen auf die angekündigte Ehrung des israelischen Historikers Gideon Greif. Dieser soll laut Medienberichten von Ihnen mit dem Bundesverdienstkreuz wegen seiner Verdienste rund um die Holocaust-Forschung geehrt werden. Seit den ersten Berichten zu dieser Ankündigung haben uns jedoch Dutzende Nachrichten empörter Mitbürgerinnen und Mitbürger aus Deutschland und den Nachbarstaaten erreicht, die eine solche Ehrung nicht nachvollziehen können.

 

Und das aus einem guten Grund: Gideon Greif leugnet den Genozid von Srebrenica, das größte Verbrechen in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg. Als Leiter der sog. Unabhängigen Internationalen Kommission zur Erforschung des Leidens der Völker in der Region Srebrenica, die von der autokratisch geführten Republik Srpska ins Leben gerufen wurde, steht Greif hinter den skandalösen Ergebnissen der Kommission, die unter anderem zu dem Schluss kommt, in Srebrenica seien in den besagten Juli-Tagen im Jahre 1995 3500 Bosniaken und 2000 Serben getötet worden. Tatsächlich wurden im Raum rund um Srebrenica mehr als 8000 Männer und Jungen, muslimische Bosniaken, von bosnisch-serbischen Milizen unter dem Kommando des damaligen Generals Ratko Mladic ermordet.

 

Hier die gesamte Stellungnahme nachlesen: Öffentliche Stellungnahme – Bundespräsident Steinmeier

 

Die öffentliche Stellungnahme im Wortlaut

Sehr geehrter Herr Bundespräsident Steinmeier,

als deutsch-bosnisches Netzwerk, das die Interessen der bosnisch-herzegowinischen Diaspora in Deutschland vertritt, möchten wir Bezug nehmen auf die angekündigte Ehrung des israelischen Historikers Gideon Greif. Dieser soll laut Medienberichten von Ihnen mit dem Bundesverdienstkreuz wegen seiner Verdienste rund um die Holocaust-Forschung geehrt werden. Seit den ersten Berichten zu dieser Ankündigung haben uns jedoch Dutzende Nachrichten empörter Mitbürgerinnen und Mitbürger aus Deutschland und den Nachbarstaaten erreicht, die eine solche Ehrung nicht nachvollziehen können.

Und das aus einem guten Grund: Gideon Greif leugnet den Genozid von Srebrenica, das größte Verbrechen in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg. Als Leiter der sog. Unabhängigen Internationalen Kommission zur Erforschung des Leidens der Völker in der Region Srebrenica, die von dem bh. Entität Republik Srpska ins Leben gerufen wurdeins Leben gerufen wurde, steht Greif hinter den skandalösen Ergebnissen der Kommission, die unter anderem zu dem Schluss kommt, in Srebrenica seien in den besagten Juli-Tagen im Jahre 1995 3500 Bosniaken und 2000 Serben getötet worden. Tatsächlich wurden im Juli 1995 in Srebrenica und Umgebung mehr als 8000 Männer und Jungen, muslimische Bosniaken, von bosnisch-serbischen Milizen und paramilitärischen Einheiten unter dem Kommando des damaligen Generals Ratko Mladic ermordet.

Wir gehen davon aus, dass Sie als Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland die Urteile des Internationalen Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien (UN-Kriegsverbrechertribunal, kurz: ICTY) sowie des Internationalen Gerichtshofs (IGH, engl. ICJ) anerkennen und respektieren. Sowohl der Internationale Gerichtshof als auch der Internationale Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien (ICTY) stellen fest, „dass es sich bei den Verbrechen in Srebrenica um Völkermord handelte. Sämtliche militärische und politische Handlungen im Rahmen dieser Operation, die nach dem Fall von Srebrenica am 11. Juli 1995 begann und fünf Tage später endete, hatten nur ein einziges Ziel: die vollständige Auslöschung der bosniakischen Bevölkerung der Enklave Srebrenica.

Der Internationale Gerichtshof kommt zudem zum Schluss „dass die in Srebrenica begangenen Taten […] mit der spezifischen Absicht begangen wurden, einen Teil der muslimischen Bevölkerung von Bosnien und Herzegowina zu vernichten, und dass es sich demzufolge um Völkermord handelt.”

Als deutsch-bosnisches Netzwerk sehen wir uns in der Pflicht, Sie auf diese Tatsachen und Fakten hinzuweisen. Deutsche Amtsträgerinnen und Amtsträger sollten insbesondere beim Thema Völkermord/Genozid ein sehr feines Gespür in der Kommunikation haben und sich nicht auf die Seite der Täter und Leugner stellen, sondern ihren Teil dazu beitragen, dass es nach Srebrenica, dem schwersten Kriegsverbrechen in Europa nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, nie wieder zu einem Völkermord/Genozid auf europäischem Boden kommt.

Nicht nur die beiden Gerichtshöfe haben eine klare Sprache, wenn es um den Genozid von Srebrenica geht. Der stellvertretende Präsident des Jüdischen Weltkongresses, Menachem Z. Rosensaft, kritisiert die von Greif geleitete Kommission im vergangenen Sommer deutlich und empfindet den Abschluss-Bericht als „peinlich“. Rosensaft verweist darauf, dass die „selbst ernannte“ Untersuchungskommission auf Initiative eines „separatistischen, den Völkermord leugnenden Führers der bosnischen Serben“ eingesetzt wurde. Dabei bezieht er sich auf das Mitglied des bosnischen Staatspräsidiums aus den Reihen des serbischen Volkes, Milorad Dodik.

„Als Sohn zweier Überlebender von Auschwitz und Bergen-Belsen, die sich zutiefst dafür eingesetzt haben, Beweise für die Verbrechen, die während des Holocaust gegen das europäische Judentum verübt wurden, an zukünftige Generationen weiterzugeben, bin ich besonders entsetzt über die schamlose Manipulation der Wahrheit durch den Bericht.
Es ist ein Dokument, das es verdient, auf den Mülleimer der Geschichte geworfen zu werden, das nur verwendet wird, um das moralische Versagen von Individuen zu demonstrieren – den sprichwörtlichen ,nützlichen Idioten‘ –, die Völkermord leugnen und verzerren“.

Neben diesen Worten möchten wir Sie zudem auf Urteile deutscher Gerichte hinweisen, die bereits Ende der 1990er und Anfang der 2000er Jahre den Genozid neben Srebrenica auch in weiteren Gemeinden Bosnien und Herzegowinas in den Jahren 1992-1995 festgestellt haben. Wesentliche Teile dieser Urteile wurden auch vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg bestätigt. Dazu zählen:

Der Fall „Jorgić“
Am 26. September 1997 verurteilte das Oberlandesgericht des Landes Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf Nikola Jorgić aus Doboj zu lebenslanger Haft. Jorgic, der 1995 auf dem Flughafen in Düsseldorf festgenommen wurde, wurde in 11 Fällen wegen Völkermord und in 30 Fällen wegen Mord und Entführung für schuldig befunden. Es war das erste Mal, dass ein deutsches Gericht eine Person wegen Völkermord verurteilt hat, die nicht die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg hat das Urteil gegen Nikola Jorgić bestätigt.

Der Fall „Novislav Đajić“
Auch der bosnische Serbe Novislav Đajić wurde vom Bayerischen Obersten Gerichtshof in erster Instanz zur Beteiligung am Völkermord an den Bosniaken verurteilt. Đajić war an der Ermordung von mindestens 30 Bosniaken im Jahr 1992 beteiligt. Staatsanwalt Walter Hemberger sagte, Novislav Djajic habe nicht nur den Krieg mit serbischen Kämpfern geführt, sondern sei “weitgehend dem serbischen Ziel des Völkermords unterworfen” gewesen. Obwohl Đajić selbst in zweiter Instanz individuell aufgrund von mangelnden Beweisen freigesprochen wurde, stellte der Bayerische Obergerichtshof fest, dass 1992 in Foča Völkermord begangen worden war.

Der Fall „Maksim Sokolović“
Darüber hinaus wurde der bosnische Serbe Maksim Sokolović vom Oberlandesgericht Düsseldorf wegen Beihilfe zum Völkermord an den Osmaci-Verbrechen in der Nähe von Kalesija verurteilt. Laut der Anklageschrift nahm Sokolović im Mai und Juni 1992 als Anführer einer paramilitärischen Einheit in Bosnien und Herzegowina an ethnischen Säuberungen teil.

Aus all den genannten Gründen wird deutlich, dass eine Auszeichnung Greifs die separatistischen und nationalistischen Kräfte in Bosnien und Herzegowina weiter beflügeln, und das Gegenteil von Versöhnung verursachen würde. Denn für eine grundlegende und nachhaltige Versöhnung ist insbesondere eines wichtig: die Anerkennung rechtlicher Fakten. Die Leugnung dieser Fakten bereitet nämlich den Weg für den nächsten Völkermord/Genozid.

Abschließend möchten wir Sie auf die Gedenkstätte und den Friedhof für die Opfer des Völkermords von 1995 in Srebrenica-Potočari – Srebrenica Memorial Center verweisen. Aktuell werden im Projekt namens Jenseits der Schlachtfelder von Srebrenica 100 Überlebende des Genozids zu ihren Erlebnissen in den Tagen rund um 11. Juli 1995 befragt, um diese als bewegtes Material für nachfolgende Generationen zu bewahren. Es wäre mit Sicherheit eine gute Idee, sich diese Aufzeichnungen anzuschauen. Vielleicht können Sie dann erahnen, was eine Auszeichnung eines Genozid-Leugners für diese Menschen bedeutet, die alles verloren haben. Ein Besuch der Gedenkstätte vor Ort und ein Gespräch mit den Hinterbliebenen würde dieses Gefühl mit Sicherheit verstärken.

Mit freundlichen Grüßen

 

Ahmed Spahić

Vorstandsvorsitzender des pangea netzwerks

Über das pangea netzwerk

Das pangea netzwerk – Das deutsch-bosnische Netzwerk für Wirtschaft, Bildung und Akademie ist die größte Vereinigung seiner Art im deutschsprachigen Raum und vernetzt derzeit mehr als 200 engagierte Professionals, Akademiker und Studierende mit den unterschiedlichsten universitären Hintergründen in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Der Hauptfokus des Netzwerks liegt dabei auf der Vernetzung von bosnisch-stämmigen Menschen mit dem Ziel der Vermittlung von Bildungschancen und beruflichen Perspektiven. Zudem dient das Netzwerk als Brückenbauer zwischen Bosnien und Herzegowina und Deutschland, Österreich und der Schweiz im politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Sinne. Gleichzeitig setzt sich das Netzwerk als Sprachrohr für die europäische Perspektive Bosnien und Herzegowinas als zukünftiges vollwertiges Mitglied der Europäischen Union ein.

 

Bild: Tarik Samarah

Textverweis: Eine Ehrung, die empört, Adelheid Wölfl