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Als deutsch-bosnisches Netzwerk, das die Interessen der bosnisch-herzegowinischen Diaspora in Deutschland vertritt, möchten wir Bezug nehmen auf die Meldung des bosnisch-herzegowinischen Portals Istraga.ba, dass die Diskussion im Bundestag zum Antrag „Bosnien und Herzegowina beim Aufbruch in eine bessere Zukunft unterstützen“ vertagt wurde.

 

Nach der initialen Veröffentlichung des Textes haben wir den Antrag und die dort formulierten Punkte als einen historischen Schritt der Bundesrepublik Deutschland verstanden, endlich die Schuldigen für die Krise in Bosnien und Herzegowina beim Namen zu nennen und klar Stellung zu beziehen. Beispielhaft ist die Beobachtung der Zunahme des negativen Einflusses der Nachbarstaaten auf eine mögliche Reform des Wahlrechts. So würde das Prinzip der legitimen Repräsentation die gleichberechtigte Teilhabe aller Bürgerinnen und Bürger am politischen Prozess verhindern, entspreche nicht den Werten und Standards der EU und würde die Teilung Bosnien und Herzegowinas weiter vertiefen. Die Schaffung einer dritten Entität neben der bestehenden Föderation von Bosnien und Herzegowina und der Republika Srpska würde die territoriale Integrität des Landes gefährden und dem Ziel einer pluralistischen Zivilgesellschaft zuwiderlaufen.

Alles faktisch richtige Beobachtungen, die in dieser Form zum ersten Mal durch den Bundestag beschlossen werden sollten. Der Antrag hat, das ist aus den geleakten Dokumenten auch ersichtlich, die Zustimmung aller Arbeitsgruppen der Grünen sowie der FDP erhalten, alleine Josip Juratović, Mitglied des Europaausschusses und Vorsitzender der Parlamentarischen Freundschaftsgruppe mit dem Westbalkan, soll laut Medienberichten von Dnevni Avaz vom gestrigen 18. Mai 2022 dagegen gestimmt haben. In dem Interview für die bosnisch-herzegowinische Zeitung Dnevni Avaz geht dieser sogar einen Schritt weiter und beschreibt, der Antrag würde „hauptsächlich die Ansichten von zwei Abgeordneten enthalten – Adis Ahmetovic von der SPD und Boris Mijatovic von den Grünen“.

Herr Juratović führt in diesem Interview weiter aus, der veröffentlichte Antragsentwurf sei „zugunsten von Dodik und Cović, weil es für ihre Politik und Opferposition ideal sei, und verleihe ihnen damit Macht bei den nächsten Wahlen“, und fügt hinzu, „Deutschland werde sich auf keine Seite einer Ethnie stellen, sondern auf die Seite der Demokratie“.

Herr Juratović verdreht hier die Tatsachen. Keiner erwartet von der Bundesrepublik Deutschland, sich auf die Seite einer Ethnie oder eines Volkes in Bosnien und Herzegowina zu stellen – wir erwarten als Bürger*innen dieses Landes, dass Deutschland für europäische Werte einsteht, die territoriale Integrität und Souveränität Bosnien und Herzegowinas als Garant des Daytoner Friedensabkommens sichert und die Verursacher der politischen Krise beim Namen nennt und konkrete Maßnahmen unternimmt, beispielsweise Sanktionen gegen Dodik und weitere führende Politiker aus der Republika Srpska einführt.

Weiter führt Herr Juratović an, es sei „logisch, dass ich über die serbischen und kroatischen Positionen wütend bin, aber wir müssen uns auch fragen, was Izetbegović tut, um die Spannungen zwischen Kroaten und Serben in Bosnien und Herzegowina zu beruhigen, warum er sie Dodik und Čović überlässt“. Und erneut bringt Herr Juratović damit Positionen zum Ausdruck, die wir sonst nur von HDZ-Politikern im europäischen Parlament wie Frau Zovko zu hören bekommen – alle drei Seiten in Bosnien und Herzegowina seien schuld. Und das stimmt faktisch nicht. Dodik redet seit einem Jahrzehnt über die Abspaltung der bosnisch-herzegowinischen Entität Republika Srpska, schafft eigenständig neue Institutionen auf Entitätsebene und will sich aus staatlichen Justiz-, Polizei- und Finanzbehörden zurückziehen und ist als Putin-Freund bereits auf der Sanktionsliste der USA und des Vereinigten Königreichs. Herr Cović möchte Wahlen um jeden Preis verhindert, blockiert gesetzeswidrig das Budget für die Wahlen und redet von einer neuen, dritten kroatisch dominierten Entität und stimmt nebenbei gegen die Einführung aller EU-Sanktionen gegen Russland. Die Gleichstellung Izetbegović´ ist damit nur eine Ablenkung von den Tatsachen und Fakten – es sei denn, man verfolgt andere Ziele, die man damit versucht zu erreichen.

Wir hoffen, dass sie die in dieser Stellungnahme genannten Punkte nachvollziehen können und in Ihrer Position alles dafür tun werden, den Antrag „Bosnien und Herzegowina beim Aufbruch in eine bessere Zukunft unterstützen“ im Bundestag erfolgreich zu verabschieden. Gerade in der aktuellen Zeit und der Aggression Russlands gegen die Ukraine wäre es ein fatales Zeichen, zuzulassen, dass pro-russische Narrative auch im Bundestag Gehör finden. Es wäre erstaunlich, wenn es am Widerstand eines Mannes in Ihrer Partei scheitern sollte.

Mit freundlichen Grüßen

Ahmed Spahić

Vorstandsvorsitzender des pangea netzwerks

 

Hier die gesamte Stellungnahme lesen

 

 

Über das pangea netzwerk

Das pangea netzwerk – Das deutsch-bosnische Netzwerk für Wirtschaft, Bildung und Akademie ist die größte Vereinigung seiner Art im deutschsprachigen Raum und vernetzt derzeit mehr als 250 engagierte Professionals, Akademiker und Studierende mit den unterschiedlichsten universitären Hintergründen in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Der Hauptfokus des Netzwerks liegt dabei auf der Vernetzung von bosnisch-stämmigen Menschen mit dem Ziel der Vermittlung von Bildungschancen und beruflichen Perspektiven. Zudem dient das Netzwerk als Brückenbauer zwischen Bosnien und Herzegowina und Deutschland, Österreich und der Schweiz im politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Sinne. Gleichzeitig setzt sich das Netzwerk als Sprachrohr für die europäische Perspektive Bosnien und Herzegowinas als zukünftiges vollwertiges Mitglied der Europäischen Union ein.