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Bosanski

Als deutsch-bosnisches Netzwerk, das die Interessen der bosnisch-herzegowinischen Diaspora in Deutschland, Österreich und der Schweiz vertritt, haben wir auf die Glückwünsche des Bundestagsabgeordneten, Herrn Stefan Kaufmann MdB, sowie des Landtagsabgeordneten in Baden-Württemberg, Herrn Raimund Haser MdL, hinsichtlich des verfassungswidrigen Tages der kleineren bosnischen Entität, Republika Srpska am 09. Januar 2021, reagiert.

 

Zudem haben wir uns mit einer öffentlichen Stellungnahme auch an folgende Personen gewandt:

Die öffentliche Stellungnahme im Wortlaut – Dr. Stefan Kaufmann MdB

 

Sehr geehrter Herr Kaufmann,

als deutsch-bosnisches Netzwerk, das die Interessen der bosnisch-herzegowinischen Diaspora in Deutschland, Österreich und der Schweiz vertritt, möchten wir Bezug nehmen auf Ihre Glückwünsche hinsichtlich des verfassungswidrigen Tages der kleineren bosnischen Entität, Republika Srpska, am 09. Januar 2021. Wir möchten Sie in diesem Zusammenhang über einige Fakten zu diesem Tag aufklären

Das Verfassungsgericht von Bosnien und Herzegowina hat den Nationalfeiertag der bosnischen Entität Republika Srpska, der am 9. Januar gefeiert wird, zunächst im Jahr 2016 und nach dem verfassungswidrigen Referendum der bosnischen Entität Republika Srpska im Jahr 2019 erneut für verfassungswidrig erklärt. Mit Ihrer Gratulation eines verfassungswidrigen Feiertages ignorieren Sie die Entscheidungen des Verfassungsgerichtes des souveränen Staates Bosnien und Herzegowinas und stellen sich damit auf die Seite einer separatistischen und nationalistischen Politik, die ihren Ursprung gerade am 09. Januar 1992 hat. Wir möchten Sie in diesem Kontext daran erinnern, dass der 09. Januar 1992 den Ausgangspunkt für ethnische Säuberungen, Kriegsverbrechen und schließlich Völkermord/Genozid darstellt.

Diese Sichtweise vertritt nicht nur das Verfassungsgericht von Bosnien und Herzegowina, sondern in gleichem Maße die Internationale Gemeinschaft. Man muss davon ausgehen können, dass Urteile des Internationalen Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien (UN-Kriegsverbrechertribunal, kurz: ICTY) sowie des Internationalen Gerichtshofs (IGH, engl. ICJ) einem Mitglied des Bundestags der Bundesrepublik Deutschland bewusst sind und von diesem anerkannt und respektiert werden. Ihre Gratulation zeigt, dass Sie beides nicht tun. Die Gründung der Republika Srpska am 09. Januar 1992 führte in letzter Konsequenz zu dem Völkermord/Genozid in Srebrenica-Potočari, der am 11. Juli 1995 begann und fünf Tage später endete. In diesem Zusammenhang möchten wir Sie auf den Jahresbericht zur Leugnung des Völkermords von Srebrenica aus dem Jahr 2020 verweisen, der von der Gedenkstätte und des Friedhofs für die Opfer des Völkermords von 1995 in Srebrenica-Potočari – Srebrenica Memorial erstellt wurde. Darin heißt es, dass sowohl der Internationale Gerichtshof als auch der Internationale Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien (ICTY) feststellten, „dass es sich bei den Verbrechen in Srebrenica um Völkermord handelte. Sämtliche militärische und politische Handlungen im Rahmen dieser Operation, die nach dem Fall von Srebrenica am 11. Juli 1995 begann und fünf Tage später endete, hatten nur ein einziges Ziel: die vollständige Auslöschung der bosniakischen Bevölkerung der Enklave Srebrenica.

Der Internationale Gerichtshof kommt zudem zum Schluss „dass die in Srebrenica begangenen Taten […] mit der spezifischen Absicht begangen wurden, einen Teil der muslimischen Bevölkerung von Bosnien und Herzegowina zu vernichten, und dass es sich demzufolge um Völkermord handelt.”

Als deutsch-bosnisches Netzwerk sehen wir uns in der Pflicht, Sie auf diese Tatsachen und Fakten hinzuweisen. Deutsche Politikerinnen und Politiker sollten insbesondere beim Thema Völkermord/Genozid ein sehr feines Gespür in der Kommunikation haben und sich nicht auf die Seite der Täter und Leugner stellen, sondern ihren Teil dazu beitragen, dass es nach Srebrenica, dem schwersten Kriegsverbrechen in Europa nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, nie wieder zu einem Völkermord/Genozid auf europäischem Boden kommt. Ihre Gratulation beflügelt die separatistischen und nationalistischen Kräfte in Bosnien und Herzegowina und trägt nicht zur Versöhnung bei. Denn für eine grundlegende und nachhaltige Versöhnung ist insbesondere eines wichtig: die Anerkennung rechtlicher Fakten. Die Leugnung dieser Fakten bereitet den Weg für den nächsten Völkermord/Genozid.

Abschließend möchten wir Sie erneut auf die Gedenkstätte und den Friedhof für die Opfer des Völkermords von 1995 in Srebrenica-Potočari – Srebrenica Memorial verweisen. Aktuell werden im Projekt namens Jenseits der Schlachtfelder von Srebrenica 100 Überlebende des Genozids zu ihren Erlebnissen in den Tagen rund um 11. Juli 1995 befragt, um diese als bewegtes Material für nachfolgende Generationen zu bewahren. Es wäre mit Sicherheit eine gute Idee, sich diese Aufzeichnungen anzuschauen. Vielleicht können Sie dann erahnen, was Ihre Gratulation für diese Menschen bedeutet, die alles verloren haben.

Wir sind gespannt, was die CDU-Vorsitzende, Frau Annegret Kramp-Karrenbauer, und der Landesvorsitzende der CDU Baden-Württemberg, Herr Thomas Strobl, zu Ihrer Gratulation sagen. Natürlich haben wir ihnen auch einen Brief geschrieben.
Und abschließend: Wir sind gespannt, ob wir Sie erneut am 09. Januar 2022 mit einer Video-Botschaft im Fernsehen der bosnischen Entität Republika Srpska sehen. Falls ja, werden wir uns erneut bei Ihnen melden. Vorher müsste man sich aber auch darüber Gedanken machen, Ihren Wählerinnen und Wählern im Wahlkreis 258 („Stuttgart-Süd”) und den ca. 180.000 Stimmberechtigten zu erklären, wem Sie genau gratulieren. Die meisten wären sicherlich erstaunt.

Mit freundlichen Grüßen

Ahmed Spahić

Vorstandsvorsitzender des pangea netzwerks

Über das pangea | netzwerk

Das pangea netzwerk – Das deutsch-bosnische Netzwerk für Wirtschaft, Bildung und Akademie ist die größte Vereinigung seiner Art im deutschsprachigen Raum und vernetzt derzeit mehr als 150 engagierte Professionals, Akademiker und Studierende mit den unterschiedlichsten universitären Hintergründen in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Der Hauptfokus des Netzwerks liegt dabei auf der Vernetzung von bosnisch-stämmigen Menschen mit dem Ziel der Vermittlung von Bildungschancen und beruflichen Perspektiven. Zudem dient das Netzwerk als Brückenbauer zwischen Bosnien und Herzegowina und Deutschland, Österreich und der Schweiz im politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Sinne. Gleichzeitig setzt sich das Netzwerk als Sprachrohr für die europäische Perspektive Bosnien und Herzegowinas als zukünftiges vollwertiges Mitglied der Europäischen Union ein.